Augsburg 2016

Apothekenrevision in der Praxis - das Motto der diesjährigen Pharmazierätetagung

Die 2 1/2-tägige Arbeitstagung (die 64. Jahrestagung) der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands APD fand dieses Jahr vom 16.10.2016 bis 19.10.2016 in Augsburg statt. In enger Abstimmung mit Vertretern der zuständigen Ministerien und der Standesvertretungen erörterten rund 100 ehrenamtliche Pharmazieräte und Amtsapotheker aus ganz Deutschland Fragen zur Apothekenüberwachung, zu Vorschriften und Gesetzen mit dem Ziel, eine einheitliche und praxisgerechte Umsetzung in allen Bundesländern zu gewährleisten. Die Ergebnisse der intensiven Diskussion zu einzelnen Punkten der ApBetrO und des ApoG wurden in Form einer Resolution verabschiedet.

Der Vorsitzende der APD, Christian Bauer, eröffnete die Arbeitstagung mit dem Hinweis auf das große Vertrauen, das die Bevölkerung den Apothekerinnen und Apotheker entgegenbringt; ein Vertrauen, das auf Leistung, Qualität und Kompetenz beruht. Die Pharmazieräte würden diese hohe Qualität fordern und kollegial fördern – mit einer praxisgerechten Umsetzung von Verordnungen und Gesetzen: Normen normieren. Doch die Apothekerinnen und Apotheker könnten noch viel mehr leisten, wenn man sie denn ließe: vom Medikationsmanagement über Screening-Maßnahmen, Einsatz in der Prävention bis hin zu speziellen Dienstleistungsverträgen. Dies werde in verschiedenen Ländern der EU bereits umgesetzt.
 
Grußworte sprachen für das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege Ministerialdirigentin Gabriele Hörl sowie für die Bayerische Landesapothekerkammer deren Präsident Thomas Benkert. Für Hörl ist das bewährte Apothekensystem, eingebunden in die Überwachung durch die Pharmazieräte, ein Idealbild der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln: flächendeckend, inhabergeführt, vor Ort, mit persönlicher Beratung und Rezepturherstellung. Kein Callcenter könne dies leisten. Sie sprach sich klar gegen die Etablierung eines weiteren Vertriebsweges Versand aus. Kammerpräsident Thomas Benkert sah in der Rezeptur ein Alleinstellungsmerkmal der öffentlichen Apotheke und forderte die Pharmazieräte auf, ein Sprachrohr für die Rezeptur zu sein.
 
Ministerialrat Hans-Georg Will, BMG, gab eine umfangreiche Übersicht über die Vielzahl an apothekenrelevanten Neuregelungen in verschiedenen Gesetzen: z.B. Medikationsplan, Korruption im Gesundheitswesen, Heil- und Hilfsmittel-Versorgungsstärkungsgesetz bis hin zum „Cannabis-Gesetz“. Bei Cannabis-Präparaten handelt es sich um ein Fertigarzneimittel, dass derzeit nach § 73/3 AMG aus Holland importiert wird. Künftig sei ein Anbau in Deutschland geplant mit der Produktion von Bulkware und einer eigenen Arzneibuchmonographie.
 
Die derzeitige Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen“ (AATB) der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG), Oberpharmazierätin Dr. Annett Zielosko, Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, berichtete aus der Tätigkeit dieser Arbeitsgruppe und ganz aktuell aus der letzten Sitzung. So ist die Umarbeitung einer bereits hergestellten patientenindividuellen Zubereitung für einen Herstellungsbetrieb nach § 13 AMG nicht möglich. Die Aufbrauchfristen der patientenindividuellen Zubereitungen (Rezeptur-Arzneimittel, auch Zytostatika) liegen in der Kompetenz und Haftung des Apothekers. Er ist für die Qualität dieser Zubereitungen verantwortlich und hat die Aufbrauchfrist nach dem Stand von Wissenschaft und Technik und nach Herstellerangaben zu beurteilen. Bei parenteralen Zubereitungen für Heilpraktiker ist eine eventuelle Verschreibungspflicht zu prüfen.
 
Der Präsident der Bundesapothekerkammer, Dr. Andreas Kiefer, betonte die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Herstellung von Rezeptur- und Defektur-Arzneimitteln in jeder Apotheke (auch Filialbetriebe). Das DAC/NRF stelle umfangreiche Hilfen zur Verfügung, wie die Berechnung des Einwaagekorrekturfaktors oder die Neu-Erstellung einer Kapselmonographie mit einem gravimetrischen Verfahren zur Kapselbefüllung (mit Mannitol 35). Ein Problemfeld, und daher mit sehr sorgfältiger pharmazeutischer Kompetenz zu bearbeiten, seien die niedrig dosierten Rezeptur-Arzneimittel in der Pädiatrie. Herstellungsprotokolle mit exakten Einwaagen bis 3-4 Stellen hinter dem Komma seien nicht glaubwürdig. Die Ausschreibungen der Krankenkassen für applikationsfertige parenterale Zubereitungen seien abzulehnen, da sie die Versorgungsqualität der Patienten verschlechtern. Kiefer wies auch auf die Cannabis-Monographie des DAC hin.
 
Der Geschäftsführer der ABDA für Apotheken-, Arzneimittel- und Berufsrecht, Lutz Tisch, referierte über aktuelle Entwicklungen im Arzneimittel- und Apothekenrecht aus Sicht der ABDA mit Schwerpunkt auf aktuelle Gerichtsurteile. Die nationale und europäische Gesetzgebung sei sehr umfangreich gewesen, vom Verbot von online-Verschreibungen, Änderung der AMVV mit Heilungsmöglichkeit durch den Apotheker, Warnhinweisen bei nichtverschreibungspflichtigen Schmerzmitteln bis zum Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen. Auf europäischer Ebene sei ein Wechsel von der Richtlinie zur Verordnung festzustellen, so z.B. im Bereich Medizinprodukte oder Tier-Arzneimittel. Auch die Handelsabkommen wie CETA oder TTIP seien apothekenrechtlich zu begleiten. Ein Gerichtsurteil bestätigte, dass die Kündigungsfristen im Heimversorgungsvertrag auch für den Heimträger gelten. Eine Versandhandelserlaubnis rechtfertige nicht die Rezeptsammlung in einem Dialysezentrum (OVG Münster).
 
Mit der Praxis der Apothekenrevision und ggf. erforderlichen Maßnahmen beschäftigten sich die nächsten Vorträge. Christian Bauer zeigte in einem Kurzvortrag den Ablauf einer Revision. Die Amtsapothekerin Dr. Ute Stapel erläuterte mögliche Maßnahmen der Behörde, von der Verwarnung über Ordnungsverfügung mit und ohne Zwangsgeld bis hin zum Bußgeldverfahren (OWiG).
 
Der Dienstag stand ganz im Zeichen der Unfallverhütung und des Gefahrstoffrechts. Die bei der BGW, Hamburg, für den Bereich Apotheken zuständige Apothekerin Karin Gruber, gab Handlungshilfen zu 4 Schwerpunktthemen: Raubüberfall, Brandschutz, Laborabzug und manuelles Stellen und Verblistern. Ein Raubüberfall ist auch ohne körperliche Verletzung als Arbeitsunfall mit entsprechender Betreuung einzustufen. Der betriebsbereite Laborabzug muss mit einer optischen und/oder akustischen Warnfunktion versehen sein (z.B. Windrädchen). Für die Apotheke sind 12 LE = 2 Feuerlöscher a 6 LE ausreichend. Das Personal ist im Umgang mit den Feuerlöschern zu schulen (Brandschutzhelfer). Zum Stellen von Arzneimitteln ist ein dafür ausreichend großer Raum vorzusehen, um die Anforderungen des Arbeitsschutzes zu erfüllen.
 
Amtsapothekerin Dr. Ute Stapel informierte über die Neuerungen im Gefahrstoff-Recht, von der REACH-VO, Meldepflicht bei verdächtigen Nachfragen nach Explosiv-Grundstoffen, Chemikalien-Verbots-VO bis zur BiozidVO. So könnte die Auffrischung des Sachkundenachweises mit der neuen Chemikalien-VerbotsVO ab 01.06.2019 Pflicht werden. Die Abgabe von Explosiv-Grundstoffen ist im Gefahrstoffbuch zu dokumentieren mit Angabe der Ausweisnummer. Bei der Abgabe von Gefahrstoffen besteht kein Kontrahierungszwang, allerdings sollte die Abgabe mit großer Sorgfalt erfolgen (Zweckbestimmung? Dokumentation?). Die weitere Verwendung von Isopropanol 70% als Arzneimittel für Umschläge oder Hautdesinfektion wird derzeit vom BfArM geprüft.
 
Zu den Vorträgen wurden den Tagungsteilnehmern umfangreiche Materialien und Handlungshilfen für die Revisionspraxis zur Verfügung gestellt. In der Diskussion von Fragen zur Apothekenrevision waren sich die Teilnehmer der Tagung einig, dass eine Mindestausstattung an Ausgangsstoffen in allen Apotheken vorhanden sein muss, entsprechend des jeweiligen Rezepturaufkommens. Die Herstellung von Rezeptur- Arzneimitteln muss in jeder Apotheke in einer angemessenen Zeit möglich sein (in der Regel deutlich < 2 Tagen). Die persönliche Leitung der Apotheke erfordert auch die persönliche Anwesenheit des Erlaubnisinhabers bzw. seiner Vertretung. Wesentliche Veränderungen der Betriebsräume bzw. der Einrichtung und Ausstattung sind der Aufsichtsbehörde vor Beginn anzuzeigen. Die Abgabe von patientenindividuell hergestellten Zytostatika durch eine Apotheke ohne eigenes Zytolabor ist an bestimmte Voraussetzungen wie Plausibilitätsprüfung durch diese Apotheke, Vertrag mit dem herstellenden Betrieb und zwingende Auslieferung durch diese Apotheke, gebunden. Die Anforderungen an die Prüfung und Zertifikate von TCM-Granulaten wurden präzisiert (siehe Resolutionen).
 
Den traditionellen Festvortrag zum Abschluss der Tagung hielt Univ.-Prof. Dr. med. Wolfgang Keil, München, über „Der Tatort im Tatort“. Als Gerichtsmediziner, der über 16000 Obduktionen durchgeführt hat, zeigte er auf sehr unterhaltsame und anschauliche Weise, dass im TV-Tatort im Bereich Gerichtsmedizin die Einholung forensischer Ratschläge von einem qualifizierten Fachmann dringend nötig sei, da die Handlung sonst an der Wirklichkeit vorbeigehe. Beispielsweise erlaubt der Abfall der Körpertemperatur entgegen vieler Aussagen in Filmen die Feststellung des Todeszeitpunktes nur mit einer äußerst großen Streuung.
 
Die Tagung wurde wieder ausgezeichnet vorbereitet von Dr. Walter Taeschner in Zusammenarbeit mit einem externen Dienstleister. Ein attraktives Rahmenprogramm rundet jede APD-Tagung ab: Augsburg mit Fuggerei, Goldenem Saal und Augsburger Puppenkiste setzte dies in hervorragender Weise fort.
Die finanziellen Belange der Tagung und der APD lagen wie immer in den zuverlässigen Händen des Schatzmeisters der Arbeitsgemeinschaft, Dr. Walter Taeschner, Lörrach.
Die APD bedankt sich in diesem Zusammenhang für die freundliche Unterstützung der Tagung bei folgenden Firmen und Institutionen: ABDA, Bayerische Landesapothekerkammer, DAV, Alliance Healthcare, Sanacorp, Wepa und VSA. Durch diese Unterstützung ist es möglich, die Tagungsgebühren seit vielen Jahren konstant zu halten.
Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle dem gesamten Vorstand der APD, Dr. Ute Stapel, Dr. Winfried-G. Berger, Dr. Wolfgang Kircher und Dr. Walter Taeschner, für die Vorbereitung, Unterstützung und Durchführung der Tagung.
 

Zur Information:

Unter www.pharmazierat.de können alle Resolutionen und Berichte nachgelesen werden.

Zum Vormerken:

Die nächste Arbeitstagung der APD findet vom 08.10.2017 bis 11.10.2017 in Rostock statt.
 
Christian Bauer
 
Vorsitzender der APD
Löwen-Apotheke, Regensburger Str. 35, 93133 Burglengenfeld; Tel. 09471/5789; ch-bauer@t-online.de
 
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